Gelesen: Frühjahr – Sommer 2013

431px-Albert_Anker_Grossmutter_beim_Bibel_lesenAuch in diesem Sommer habe ich ein paar Bücher in die Hand genommen. Heute komme ich endlich dazu, darüber zu schreiben.

Eine wilde Mischung war es, dafür aber mit erfreulich guten Titeln. Ein bisschen was zum Gruseln, zum Staunen und zum Lachen, garniert mit Klassikern und meiner Ersten Musikerbiographie!

Night Film, von Marisha Pessl

Mein erstes Buch mit interaktivem Bonus-Content! Ja, so was gibt es, Ihr Ludditen. Man lädt sich eine kostenlose App aufs Smartphone und kann dann auf einigen Seiten Symbole einscannen, um auf dem Telefon dann zusätzliche Texte und Bilder, aber auch Sounds und Videos zu bekommen. Das hat gut funktioniert, sogar das Einscannen vom Bildschirm meines Kindle, war aber nervig und nach drei oder vier Mal habe ich es dann einfach nicht mehr gemacht. Dabei bietet sich Pessls dunkler Thriller für solche Spielchen an, denn auch das eigentliche Buch ist gespickt mit Bildern von nachgemachten Zeitungsartikeln und Websites. Die kamen übrigens auf meinem sehr einfachen Kindle nicht gut rüber und waren nur schwer lesbar, auch die Schriftgröße lässt sich bei  Bildern natürlich nicht einstellen und das Gerät hat keine Zoom-Funktion. Aber es ist, wie gesagt, auch eine alte, einfache Version des E-Book-Readers und das kann man nicht dem Inhalt anlasten.

Lässt man das alles außer Acht, bleibt Night Film ein unterhaltsamer, manchmal verstörender Ausflug an die Grenze zwischen Realität und Phantasie, dort wo Furcht und Wahnsinn wohnen, und außerdem eine schöne Hommage an das Horrorfilm-Genre.

Bruce, von Peter Ames Carlin

Für einen (Beinahe-)Historiker habe ich in meinem Leben erstaunlich wenige Biographien gelesen. Vielleicht, weil mich die Massen immer mehr interessiert haben, als das Individuum. Und Musik ist etwas, was ich ja zumeist nur konsumiere. Daher ist es nicht erstaunlich, dass ich erst vierzig Jahre alt werden musste, bevor ich meine erste Musiker-Biographie gelesen habe. Ich bin ja irgendwie Springsteen-Fan, seitdem ich 12 Jahre alt war, seit etwa zehn Jahren verstärkt. So habe ich mir die neue Biographie des großen Rock’n’Rollers zum Geburtstag gewünscht und bekommen (danke noch mal!). Es war interessant und reich an Einblicken, auch unterhaltsam, wird aber wohl auch meine letzte Musiker-Biographie sein. Ist irgendwie nicht mein Genre.

Standing In Another Man’s Grave, von Ian Rankin

Rebus ist wieder da! Nachdem Schottlands berühmtester (und grummeligster) Polizist von seinem Erfinder vor ein paar Jahren in Rente geschickt worden war, wurde er Anfang dieses Jahres wieder reaktiviert. Es war auf jeden Fall eines der besseren Bücher der Reihe – eigentlich die einzige Krimi-Reihe, die ich lese. Zumindest war es gut genug, mich auch den nächsten Band kaufen zu lassen, den ich gerade heute angefangen habe. Wenn man Krimis mag, sollte man Rebus probieren.

The Impossible Dead, von Ian Rankin

Nachdem er Rebus im Jahr 2007 pensioniert hatte, schuf Ian Rankin mit Inspector Malcolm Fox eine neue Figur, mit der inzwischen – neben Auftritten in den beiden neuen Rebus-Büchern – zwei eigene Romane erschienen sind. Viele Fans und Kritiker waren etwas enttäuscht, mir hat’s ganz gut gefallen, aber ein Edinburgh-Krimi ohne Rebus ist halt nur halb so gut.

In One Person, von John Irving

Mal wieder ein gutes Buch von Irving. Versöhnlich, nach zuletzt ein paar mittelmäßigen.

The Marriage Plot, von Jeffrey Eugenides

Ich fand’s gut. Nicht so gut, wie seine ersten beiden Romane, aber gut. Wieder mal geht es ums Erwachsenwerden und nach der Suche nach der sexuellen Identität (in Middlesex) und nach worin-auch-immer-es-in-The-Virgin-Suicides-ging (in The Virgin Suicides) stehen jetzt Religiosität und Spiritualität im Mittelpunkt.

Die Karla Triologie von John LeCarré

Nachdem ich bei der Verfilmung von Tinker, Tailor, Soldier, Spy das Gefühl hatte, irgendwas verpasst zu haben, habe ich das Buch gelesen, das hilft ja manchmal. So richtig wurden nicht alle meine Fragen beantwortet, aber ich bekam doch Appetit auf mehr. The Honourable Schoolboy ist das seltene Beispiel für einen Mittelteil einer Trilogie, den man auch komplett auslassen könnte, aber nichtsdestotrotz ein guter Spionageroman. Smiley’s People schließt den Zyklus ab. Alle drei sind langsame, detailverliebte Bücher, die dem Leser viel Aufmerksamkeit und Konzentration abverlangen, aber man wird dafür auch reich belohnt. In einem Genre der schnellen Unterhaltung bilden diese drei Klassiker einen schönen Gegenpol.

The Girl on the Stairs, von Louise Welsh

Die düsteren Thriller der Schottin Louise Welsh, in denen es immer um die kleinen Sünden geht und eben mal nicht um den üblichen Serienkillerblödsinn, sind eine willkommene Abwechslung und gehören regelmäßig zu meinen Lese-Highlights. Auf das großartige Naming The Bones, das den Leser in die Ödnis der schottischen Inseln mitgenommen hat, folgt mit The Girl On The Stairs ihre zweite in Berlin angesiedelte Geschichte nach The Bullet Trick. Das Setting ist, soviel sei verraten, für die Geschichte nicht allzu wesentlich, es dient lediglich dazu, das Gefühl der Einsamkeit und Verlorenheit zu untermauern, welches die Protagonistin des Buches mit sich herumschleppt. Das Buch hätte aber genauso in London, Paris oder Prag spielen können.

Es ist nicht immer leicht, wenn der Leser in Bezug auf das Setting oder den Plot Wissensvorteile gegenüber dem Autor hat. Wer fremdsprachige Literatur im Original liest, kennt das komische Gefühl, wenn deutschsprachige Zitate nicht so ganz stimmen. John Irving, der lange im deutschsprachigen Raum gelebt hat, ist ein gutes Beispiel für einen Autor, der es nicht für nötig hält, seine deutschen Versatzstücke von einem Muttersprachler gegenlesen zu lassen und sein Verlag scheint ihm da zu vertrauen, nicht immer zu Recht. Vielleicht ist das aber auch nur ein weiteres Indiz für den Niedergang des Lektoratswesens.

Auch Louise Welsh unterlaufen ein paar kleine Fehler, an denen man sich als deutscher Leser schnell stößt. Vor dem Hintergrund von Landesfluchten, Kindesentziehungen und Auslieferungsverfahren, über die immer mal wieder in deutschen Medien berichtet wird, erscheint beispielsweise die Figur eines Mädchens, das von seinem Vater, einer Art Universalgelehrten, zu Hause unterrichtet wird, dem informierten Leser doch gleich weniger plausibel. Oder geht das nur mir so?

Man darf sich davon, auch dafür ist The Girl On The Stairs ein gutes Beispiel, vielleicht nicht ablenken lassen. Sonst vergeht einem ganz umsonst der Spaß an einem wieder mal sehr guten Buch.

The Ocean At The End Of The Lane, von Neil Gaiman

So richtig gut finde ich Neil Gaiman, wenn er sich kurz fasst, und The Ocean ist mit seinen unter 200 Seiten da keine Ausnahme. Was mich wundert ist, wie sehr das Buch von seinen Fans gefeiert wird, obwohl die (guten) Zutaten wie auch die (gelungene) Mischung nicht wirklich neu sind. Vielleicht ist das aber auch nur ein Zeichen für den Erfolg des Autors, sich im Social Web als Marke zu positionieren, und das meine ich durchaus positiv. Auf jeden Fall ein empfehlenswertes Buch für zwischendurch.

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